Was ist Nihonga?
Nihonga 日本画 bedeutet wörtlich "japanisches Bild".
Was jedoch macht diesen traditionell japanischen Kunststil aus?
Die traditionelle Kunst in der japanischen Tradition wird als kreative Repräsentation der Realität verstanden, nicht als Versuch, die echte Welt naturalistisch und detailtreu nachzubilden. Also weniger Realismus - mehr elegante und stilisierte Motive, die grafisch dargestellt werden.
Der Schwerpunkt des Nihonga-Stils liegt bei der bewussten Betonung von Umrissen, der Verwendung von natürlich erscheinenden, leichten Farbtönen, sowie Gold und Silber.
Auch wird oft das Bild flächig und zweidimensional gehalten und auf eine Tiefe des dreidimensionalen Raumes verzichtet.
Dem Leerraum (auch Negativraum genannt) wird im Nihonga eine große Beachtung geschenkt:
Der Leerraum, ma 間, wird die philosophische Bedeutung eines Raumes beigemessen, der absichtlich leer gelassen wird, um die Existenz von Beziehungen und Funktionen zwischen Menschen und Dingen zu ermöglichen.
Diese japanische Vorstellung eines Raumes wird vom Shintoismus beeinflusst, die den Räumen und Beziehungen zwischen Objekten und Menschen fast genauso viel Bedeutung beimisst, wie den Objekten selbst.
Dies bedeutet, dass alle Dinge nicht nur aus sich selbst bestehen, sondern auch aus dem Raum und den Beziehungen, die sie umgeben und beeinflussen.
Der Leerraum bezieht sich demnach in der japanischen Kunst auf die künstlerische Interpretation der leeren Raumes. Dem wird in einem Gemälde ebenso viel Beachtung geschenkt, wie dem Rest des Bildes. Dies geht mit der Absicht einher, den Blick des Betrachters auf den Leerraum zu lenken.Der Leerraum wird bewusst genutzt, um weitere Möglichkeiten in das Bild hinein zu interpretieren.
Die Verwendung des Leerraumes kann einen dramatischen Einfluss auf die Stimmung und den Ton des fertigen Bildes haben.Ma wird bewusst geschaffen, um unseren Gedanken den notwenidigen Platz zu lassen, um zu gedeihen.
Das ästhetische Konzept, dessen sich der Nihonga-Stil bedient, wird mono no aware
者の哀れ genannt. Mono no aware bezieht sich auf das Bewusstsein und die Schönheit der Vergänglichkeit der Dinge und somit die Konzentration auf das Hier und Jetzt. Auf die Schönheit und der bewussten Wahrnehmung des Augenblicks.
Als Beispiel könnte man sich auf die japanische Vorliebe für die Betrachtung der Kirschblüten beziehen: Kirschblüten sind nicht unbedingt schöner als andere Blumen, könnte man meinen, jedoch wird ihnen aufgrund ihrer Vergänglichkeit ein höherer Wert beigemessen - denn beinahe eine Woche nachdem sie in voller Blüte stehen, beginnen sie bereits wieder zu welken.
Genau diese Vergänglichkeit des Augenblicks lässt den Betrachter die wahre Schönheit des Moments wehmütig wahrnehmen und schätzen.